Paul Claudel

Die Trilogie
Die Geisel, Das harte Brot, Der Erniedrigte

Aus dem Französischen von Herbert Meier


2007, 344 Seiten, gebunden
Euro 22,- / Sfr. 33.-

ISBN 978 3 89411 397 1

 


Mit der „Trilogie“ will Paul Claudel die Geschichte der Figuren „auf der höheren Ebene der Vorsehung“ zu verstehen versuchen. Er schreibt drei „Historien“ in der shakespeareschen Art und wählt Hintergründe und stoffliche Motive aus dem 19. Jahrhundert. Das Symbolische geht aus den Handlungen selbst faktisch hervor. Das heißt, auch die Dinge erzählen, wie die Figuren, ihre Geschichte.

Zum Beispiel das Bronzekruzifix in der Abtei Coûfontaine. Im ersten Stück Die Geisel ist es zunächst nichts als ein Element des Bühnenbilds. Im Verlauf der „Trilogie“ aber wird es zu einer Sinngestalt, in der sich das Ganze thematisch spiegelt. Von Jakobinern wurde es in Stücke geschlagen. Unter ihnen wirkte der junge Turelure. Er hat auch die Mönche der Abtei abgeschlachtet und war doch selbst Novize gewesen. Nun sammelt Sygne, die junge Feudalherrin, die Bronzestücke und flickt den Christuskörper, als könnte sie so die Welt ihrer Religion wiederherstellen. Zudem opfert sie sich mit Georges, ihrem Cousin, für die Restauration einer untergehenden Gesellschaft, in der der Papst zur Geisel des Machtmenschen Napoleon geworden ist. Die Restauration des Kreuzes ist Flickwerk. Auf die vergebliche Tragödie folgt denn auch die böse Farce.
Im zweiten Stück Das harte Brot wird das geflickte Bronzekreuz von Louis, dem Sohn Turelures, der es zerstört hatte, an den jüdischen Kaufmann Ali Habenichts zum Kilopreis für Bronze verhökert. Für den kapitalistischen Geist ist Christus „ein Gräuel“, von dem man sich am Ende auf billige Weise befreit.
Die Farce rettet sich im dritten Stück Der Erniedrigte in die allegorischen Festivitäten einer Großbürgergesellschaft, die sich mit Titeln und Emblemen ihrer feudalen Vorfahren schmückt. Lady U. stimmt die Hymne eines neuen republikanischen Rom an. Eines Rom, in dem der „erniedrigte“ Papst keine irdische Macht mehr hat. Pensée, die Tochter Louis’ und der Jüdin Sichel, ist von Geburt an blind. Was sie indessen sieht, ist eine neue Utopie der Liebe. Eine Liebe, die ihre Anfänge schon vor der Geburt hat und auch jenseits des Todes lebendig bleibt, weil Gott selbst ihr Ursprung ist. Pensées Hoffnung ist das Kind, das sie von Orian erwartet, der im Krieg für den Papst, seinen Onkel, fällt. Eines ihrer letzten Worte ist: „Ach, es ist schwer für den, der liebt, all das zu tun, was die Liebe von ihm will.“ Sie nimmt es hin, dass Orian einen sinnlosen Tod stirbt und Orso, sein Bruder, sich zum Schutz des Kindes gesellschaftlich vor sie hinstellt. Am Ende wird für Pensée die Liebe zum unerklärlichen Paradox: zu einem Kreuz des Widerspruchs, das sie auf sich nimmt. Hier erreicht das Kreuz, das zum Flickwerk und zu einer verkäuflichen Ware geworden war, einen geistigen Sinn – als Zeichen der unauflöslichen Paradoxien des Lebens.

(Aus dem Brief an die Schauspieler von Herbert Meier)